Politik

Deutsche Bischofskonferenz präsentiert Forschungsprojekt

Im Kampf gegen den Missbrauch


PK zum Forschungsprojekt sexuellen Missbrauchs (Quelle: Michelle Eickmeier)
GDN - Der Missbrauchsskandal im Jahr 2010 hat die Katholische Kirche in eine tiefe Vertrauenskrise gestürzt. Seitdem ergreift sie Maßnahmen, um gegen den sexuellen Missbrauch an Minderjährigen vorzugehen. Hierzu zählt das neu gestartete Forschungsprojekt der Deutschen Bischofskonferenz.
Bischof Dr. Stephan Ackermann im Interview
Quelle: Michelle Eickmeier
“Wir wollen Klarheit und Transparenz“, betonte Bischof Dr. Stephan Ackermann, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) für Fragen sexuellen Missbrauchs, gleich zu Anfang der Pressekonferenz am Montag in Bonn, auf der er das Forschungskonsortium vorstellte. Das Forschungsprojekt “Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ startet erneut. Nach einem Beschluss, den der Ständige Rat der DBK gefasst hatte, wurde es bereits im August 2013 als “Interdisziplinäres Forschungsverbundprojekt“ neu ausgeschrieben. Insgesamt hatten drei interdisziplinäre Forschungsverbünde mit insgesamt 22 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Antragsskizzen eingereicht. Der Beraterkreis entschied sich in Absprache mit den Bischöfen für ein siebenköpfige Forschungskonsortium, das von Prof. Dr. Harald Dreßing, dem Leiter der Forensischen Psychiatrie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim als Verbundkoordinator geleitet wird. Im Projekt vertreten sind zudem das Kriminologische Institut der Universität Heidelberg, das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg und der Lehrstuhl für Kriminologie der Universität Gießen. Auf der Frühjahrs-Vollversammlung im März in Münster wurde das Studienprojekt durch die Bischöfe beschlossen.
Vertrauen in neue Projektpartner
Mit dem nun interdisziplinären Forschungsverbund schöpft die Katholische Kirche neues Vertrauen in die Kooperationspartner. Diese werden durch einen Beirat aus Betroffenen, Wissenschaftlern und Kirchenvertretern “wissenschaftlich und ethisch“ begleitet, so Dreßing. Man wolle die Opfer “von Anfang an“ miteinbeziehen. Hintergrund war die Vertragskündigung mit dem Projektpartner Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. im Januar 2013, dem die DBK den Studienauftrag entzog. Die Bischofskonferenz begründete das Vorgehen damals mit erheblichen Kooperationsschwierigkeiten und dem mangelnden Vertrauen in den Kriminologen, das “völlig desolat ruiniert“ sei.
Pfeiffer kritisierte, die Studie sei “an den Zensur- und Kontrollwünschen der Kirche gescheitert“, und es habe Aktenvernichtungen in verschiedenen Diözesen gegeben. Die DBK verwehrte sich scharf gegen den Vorwurf, die Forschungsfreiheit eingeschränkt zu haben. Pressesprecher Matthias Kopp machte klar, es gehe nicht um die Boulevardisierung des Themas, und kündigte zugleich die Fortführung der Studie an.
Aufklärung im Namen der Opfer
Die neu gewonnenen Erkenntnisse in einer bis 2017 vorgesehenen Laufzeit sind von Relevanz für die diözesane Präventionsarbeit. Im Mittelpunkt stünden die Opfer, diese seien die eigentlichen Experten, so Dreßinger. Auch werde es der Sache nicht gerecht, den Missbrauch auf eine Zahl zu reduzieren. Daher wird neben der quantitativen Datenerhebung vor allem die qualitative Analyse der “Täter-Opfer-Institutionen-Dynamik“ im Fokus stehen, die sich auf biografische Interviews stützt. Dieser psychologische Kontext sei der wesentlich neue Aspekt.
Wissenschaftler, Bischof und Pressesprecher (v.l.)
Quelle: Michelle Eickmeier
Die Täter-Opfer-Beziehung wird genauso hinterfragt werden wie die Auseinandersetzung mit dem traumatischen Taterleben. Hierdurch sollen Einblicke in Täterstrategien und das Verhalten von Kirchenverantwortlichen gewonnen werden. Als Untersuchungsgegenstand der empirischen Erhebung dienen Personalunterlagen seit 1945. Die Kirche war aufgrund angeblicher Aktenvernichtung in die Kritik geraten. Das Projekt will sich zunächst einen Überblick über die noch bestehenden Aktenbestände verschaffen, denn diese seien kirchenrechtlichen Vorgaben zufolge nach zehn Jahren zu vernichten, wie es auch in Klinik und Forschung der Fall sei, so Dreßing. Zugleich unterstrich er, dass alles, was an Material zur Verfügung stehe, ausgewertet werde. Aus datenschutzrechtlichen Gründen wird die Auswertung der Personalakten durch Kirchenmitarbeiter vorgenommen, so dass Daten in anonymisierter Form an das Konsortium weitergeleitet werden.
Ziel: “Klarheit um der Opfer willen“
Quelle: Michelle Eickmeier
Um Transparenz zu wahren, wird dieser Vorgang unter Aufsicht einer juristischen Person dokumentiert und aufgezeichnet. Prof. Dr. Dieter Dölling vom Kriminologischen Institut der Universität Heidelberg verwies zusätzlich auf den Institutionenvergleich, der die Besonderheiten der Katholischen Kirche im Vergleich zu anderen Institutionen anstellen soll. Hierzu werden auch außerkirchliche Strafakten deutscher Staatsanwaltschaften ausgewertet, um eine vergleichende Analyse zu ermöglichen.
Fragen wie, was den Missbrauch begünstigte und welche administrativen Anweisungen es im Missbrauchsfall gab, sollen aufgeklärt werden. In einer Sekundäranalyse werden andere Forschungsergebnisse, nationale und internationale empirische Befunde sowie Studienergebnisse einfließen. Man könne keine Wiedergutmachung erreichen, so Prof. Dr. Dr. Andreas Kruse vom Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg. Aber die Studie werde helfen, Dynamik und Struktur der Delikte zu verstehen, um ein weiteres Desaster zu verhindern.
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